Von der ökologischen Vision zum gesellschaftlichen Diskurs

Interview TRI 2014 mit HJ Gögl und Helmut Krapmeier
9.4.2014

10 Jahre TRI

Vorwort

Von der ökologischen Vision zum gesellschaftlichen Diskurs
oder:
Von der Vision zum Diskurs

Ein Gespräch mit Hans Joachim Gögl und Helmut Krapmeier über 20 Jahre Tri von Robert Fabach

Robert Fabach: Die Tri findet 2014 zum zehnten Mal statt. Eine Veranstaltung, die beispielhaft eine Entwicklung des energieeffizienten Bauens über rund 20 Jahre begleitet, aber auch unterstützt hat und zu einem soliden Bestandteil des architektonischen Diskurses in Vorarlberg geworden ist. Hans Joachim Gögl ist der Initiator und Organisator der Tri. Helmut Krapmeier ist Mitgestalter und moderiert dieses Symposion von Anfang an. Was stand zu Beginn?

Hans Joachim Gögl: Wir hatten 1994 mit der Organisation begonnen, 1996 die erste Veran-staltung durchgeführt und anschließend alle zwei Jahre, biennal fortgesetzt. Es begann damit, daß ich drei leidenschaftliche Solartechniker in ihrer Öffentlichkeitsarbeit betreut hatte, die eigentlich in der Architektenschaft eine gemeinsame Zielgruppe hatten. So entstand die Idee, für alle drei eine Bildungsinitiative, ein Vermittlungsprogramm für diese Zielgruppe zu organisieren. Zwei davon sind heute noch im Boot. „Drexel und Weiss – Energieeffiziente Haustechniksysteme“ früher „Drexel Solarlufttechnik“ und „Stromaufwärts Photovoltaik“, ein Unternehmen, das damals noch eine Abteilung bei Hirschmann in Rankweil war. Der Dritte im Bund war damals „DOMA Solartechnik“, eine Satteinser Solarthermie-Firma. Daher kam auch der Titel TRI: Luft, Wasser und Strom.
Es war von vornherein klar, dass es nicht um Werbung ging, sondern darum, eine objektive Informations- und Weiterbildungsplattform für das Thema zu entwickeln. Mit dem Grundsatz, dass die Unternehmen selbst nicht vortragen würden und durchaus auch kritische Positionen diskutiert werden sollten.

Helmut Krapmeier: . . . weil ja auch ein gemeinsames Anliegen den rein wirtschaftlichen Interessen übergeordnet war. Wohin geht die Zukunft, was wollen wir tun? Jedes Unternehmen hatte dazu eine Vision und wollte mit seinem Produkt etwas dazu beitragen. Neben dieser gemeinsamen Vision ergab sich – und das finde ich das Faszinierende dabei – ein gemeinsames Vielfaches, indem sich die Produkte zu einer sinnvollen Auswahl ergänzten und sich niemand etwas wegnahm. Der geniale Schritt war, sie zusammen zu führen.

Hans Joachim Gögl: Bezeichnend, dass es drei Pioniere waren, die sich aus einer gesell-schaftspolitischen Verantwortung heraus engagiert hatten. Ich hatte sie untereinander vorgestellt, ihnen den enormen Synergieeffekt erklärt, die Möglichkeit etwas gemeinsam miteinander aufzubauen und sie waren sofort mit Feuer und Flamme dabei. Das waren Günther Köchle, der eine Abteilung der Firma Hirschmann in einem Management-Buy-Out zu „Stromaufwärts“ umgewandelt hatte, dann Christof Drexel, der damals mit der Solarlufttechnik noch eine andere Technologie – große Solarluftkollektoren, die im Industriebereich zur Hallenbeheizung dienten – verfolgt hat und sich als „Drexel und Weiss“ in Richtung Passivhaustechnologie weiter entwickelt hat. Die Dritten waren Gebhard und Ernst Bertsch, die die Firma DOMA aufgebaut hatten, später ihr Unternehmen verkauften und 2004 deshalb ausgestiegen sind.

Helmut Krapmeier: DOMA war eine solarthermische Produktion in Vorarlberg, die Kollektoren mit einem Rahmen aus Holz herstellte. Das war ungewöhnlich, hat sich aber als sehr ökologisch herausgestellt.

Hans Joachim Gögl: Von Anfang an mit dabei war auch Helmut Krapmeier. Als schon damals ausgesprochener Experte und Akteur des Vorarlberger Energieinstituts brachte er breite Fachkompetenz und hohe Vernetzung in der Szene in das Kernteam ein.

Robert Fabach: Was war die Ausgangsidee, wie die Konzeption? Die Tri zeichnet sich ja auch durch einige ganz spezielle Dramaturgie und durch eine unaufgeregte Kontinuität aus, die das Bild einer – und ich spreche da durchaus auch aus der persönlichen, langjährigen Wahrnehmung – sehr authentischen Veranstaltung geprägt hat.

Hans Joachim Gögl: Ich hab mir in der Vorbereitung, das allererste Programm angeschaut, das wir 1996 erstellt haben. Wir hatten ein dreitägiges Symposion konzipiert und pro Halbtag einen Referenten anberaumt, der zwei Stunden gesprochen hatte. Dann war eine halbe Stunde Pause und anschließend wurden eine Stunde lang ausführlich Fragen gestellt. Insgesamt hatten wir fünf Referenten und einen Nachmittag Exkursion. Das war damals ein wirklich außergewöhnliches, im besten Sinn des Wortes gewagtes, Kongressdesign. Die Mitbewerber präsentierten etwa gleich viele Referenten in den ersten drei Stunden ihrer Symposien! Möglichst viele Sprecher im Abstand von 20 Minuten.
Für mich selbst war die Konzeption der Tri immer eine Arbeit an Dramaturgien des gemeinsamen Lernens, Vernetzens, Begegnens. Was ist ein Kongress vor allem, abgesehen von reiner Wissensvermittlung? Aus diesem Nachdenken hat sich diese eigenwillige Form der Tri entwickelt, die fast zur Antithese, zum Gegenteil der Programmabläufe des Mitbewerbs wurden: Viel Zeit für die Vortragenden, sehr viel Zeit für Fragen, lange Pausen und genug Raum für die Möglichkeit der Teilnehmer sich untereinander kennenlernen, persönlich und intensiv nachfragen können. Und von Beginn an: Die Exkursion als Herzstück der Tagung! Der konkrete, sinnlich erfahrbare Bezug zur Praxis war mir wichtig.
Die erste Tri war dann sozusagen die DNA, die Urform aller weiteren Veranstaltungen und hat sich bereits durch jene Besonderheiten ausgezeichnet, die uns für die authentische und nachhaltige Vermittlung ihrer Themen logisch und konsequent erschienen.

Helmut Krapmeier: Damals, in den Anfangsjahren waren die Inhalte aber auch bahnbrechend. Es gab groß Unterschiede zwischen dem Wissen der Referenten und dem der Teilnehmer. Diese Langsamkeit war deshalb notwendig, um die Teilnehmer auch wirklich zu erreichen. Später hat sich das dann immer mehr verändert und wir haben darauf reagiert, indem wir das oft hohe Erfahrungswissen der Teilnehmer mit Open Space Elementen immer mehr in die Tri integriert haben.

Robert Fabach: Wissensvermittlung, Austausch unter den Teilnehmern, praktische Beispiele. Ihr habt aber auch von Anfang an die Sinnfrage, die Frage nach dem Warum in das Programm gepackt. Woher kam das?

Hans Joachim Gögl: Wir wollten einen weiten Rahmen spannen, der neben Fragen der technischen Innovation und der Gestaltung die gesellschaftspolitische Komponente genauso mit einschloss. Das entsprach auch der Überzeugung der drei Auftraggeber. Dafür hatten wir einen Referenten gesucht, der bereits das Thema gesellschaftspolitisch verankert und die Mission, das Herzensanliegen und auch die ökologische Verantwortung bereits im Eröff-nungsvortrag verdeutlicht. Und dieser Referent war Hermann Scheer.
Seine Reden waren immer von großer Verve, getragen von globaler Weitsicht und harten, politischen Erfahrungen, die er als Abgeordneter zum deutschen Bundestag, aber auch in verschiedenen energiepolitischen Initiativen machen musste. Hermann Scheer hat die Brisanz des Themas mit klaren und beherzten Worten wach gerufen und die Nähe von regionaler Baupraxis und globaler Ökologie verdeutlicht. In den 20 Jahren sind Energiefragen nicht nur im europäischen Raum in die politische Agenda gekommen, sondern haben auch weltpolitische Brisanz in geradezu dramatischem Ausmaß erhalten. Was wir glaube ich vor allem von ihm gelernt habe: Skepsis gegenüber zentral organisierten, Finanz-Macht-konzentrierenden Energieversorgungssystemen, wie sie heute in neuem Kleid bei Windparks, Biogasanlagen oder Solaren Großanlagen wieder auftauchen. Stattdessen die Konzentration auf stabile, dezentrale, unabhängige, regionale Versorgungslösungen. Das ist demokratiepolitisch, wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiger.
Hermann Scheer war von 1996 bis 2010 Key-Note-Speaker jeder Tri, im Oktober 2010 starb er völlig unerwartet im Alter von 66 Jahren.

Robert Fabach: Baukultur ist ja eine Systemleistung. Um in einem so breiten Feld – und gerade aus der spezialisierten Position dreier Haustechnikproduzenten – etwas bewirken zu können, bedarf es ja einer vielfachen Zusammenarbeit und sehr viel Vermittlung. Wie sind dazu eure Erfahrungen?

Hans Joachim Gögl: Als Nicht-Architekt und Nicht-Techniker ist mir aufgefallen, dass die Kompetenzfelder des energieeffizienten Bauens vielfach ihren Eigenlogiken verhaftet bleiben. Energie-Fachplaner fahren nicht auf die gleichen Kongresse und verfolgen einen anderen Zugang als Architekten. Vielleicht einer der Gründe für die Verständigungsschwierigkeiten, die mir immer wieder vermittelt wurden. Der Wunsch, diese Felder zusammen zu bringen, hat deshalb in der Konzeption der Veranstaltung eine wichtige Rolle gespielt.

Helmut Krapmeier: Mich hat Verschiedenes von Anfang begeistert und sofort mit der Tri verbunden und ich war immer wieder von den unterschiedlichen Themen der einzelnen Jahre fasziniert. Diese kongeniale Konstellation hatte mich auch deshalb sofort interessiert, weil ich zuvor in München gearbeitet hatte, in einem Büro, das sich „Interdisziplinäres Architekten- und Ingenieurbüro“ nannte und die Tri genau diese Interdisziplinarität in einen Kongress gegossen hatte.
Seit 1990 beim Energieinstitut in Vorarlberg hatte ich bereits verschiedene Bildungsveranstaltungen in diesem Bereich realisiert. Deshalb wurde ich eingeladen, namens des Energieinstituts die Moderatorenrolle zu übernehmen. Bereits bei meinen eigenen Seminaren hatte ich die Qualität der Langsamkeit erkannt und eingeführt und die Nachhaltigkeit dieser entschleunigten Form der Versammlung hat sich eindrucksvoll bestätigt. Ich bin, nebenbei bemerkt, auch seit 1991 aktives Mitglied beim Verein zur Verzögerung der Zeit.

Robert Fabach: Die Tri ist durchaus zu einer Konstante geworden. Geeignet dazu Verände-rungen und Entwicklungen erfahrbar zu machen, aber auch aktuelle Themen aufzunehmen und zugleich Aktualität zu schaffen. Eine derartige Konstanz kennt man sonst vorwiegend von großen Institutionen. Jetzt standen und stehen hinter der Tri aber drei private Unternehmen und ein Beratungsbüro. Eine sehr schlanke Struktur. Wie gelingt das?

Hans Joachim Gögl: Die drei, später zwei Unternehmen haben eine Gesellschaft zur Durch-führung des Symposions gegründet, die gemeinsam mit mir und Helmut Krapmeier die Themen und Inhalte erarbeitet hat. Ich bin der beauftragte Geschäftsführer und Programmleiter und mein Büro führt die komplette Organisation durch. Finanziert wird die Tri durch zu je einem Drittel Eintrittsgelder, durch die Unterstützung öffentlicher Einrichtungen und durch Sponsoren. Einen ganz wichtigen Beitrag zum Erfolg der Tri leistet meine Assistentin Monika Stelzl, die von Beginn an das Tagungsbüro leitet, mit dem enorm wichtigen, persönlichen Kontakt zu den Teilnehmern und die die komplette administrative Abwicklung mit dem Festspielhaus gewährleistet.

Helmut Krapmeier: Wieso hast du dich von Anfang an für die Biennalität entschieden? Das ist ja eine große Herausforderung in der Abwicklung, wenn auch eine der Merkwürdigkeiten der TRI.

Hans Joachim Gögl: Das stimmt. Es gibt ja Studien, die sagen, dass drei Tage eine Hypothek für einen Kongress bedeuten. Menschen wollen maximal zwei Arbeitstage einem klassischen Kongress widmen. Wir haben aber durch das aktuelle Teilnehmerinteresse heuer wieder eine große Bestätigung für dieses ausführlichere und zugleich entschleunigtere Konzept erhalten. Sowohl die Biennalität, als auch die Dreitägigkeit hängen mit der Intention zusammen: Wir nehmen uns Zeit. Wir wollen auch die Zeit der zwei Jahre nützen um ausreichend technologische Entwicklungen zu sehen. Erst damit haben wir dann wirklich genug „Fleisch am Knochen“ für das neue Symposion.
Wir wollen auch gut haushalten mit den eigenen Kräften. Du müsstest ja immer sofort nach Ende jeder Veranstaltung wieder mit der Organisation der nächsten Veranstaltung starten und das hätte für uns einfach nicht gestimmt. Nach der Veranstaltung wurde noch das Feedback der Teilnehmer ausgewertet, nachbesprochen und dann war Pause. Zeit für Entwicklung. Zeit zum Atem holen.

Helmut Krapmeier: Eine Spezialität ist ja auch, dass bereits zur Tagung ein Tagungsband erscheint, der auch sorgfältig gestaltet ist. Keine lieblosen PDF’s, sondern sorgfältig ge-schrieben und wunderbar von den Buchgestaltern rund um René Dalpra in Götzis gestaltet.

Hans Joachim Gögl: Die Referenten sind dadurch angehalten, ihre Beiträge drei Monate vorher abzugeben und das führt auch zu einer ganz besonderen Qualität der Referate, weil sie gezwungen sind speziell für die Tri einen Beitrag zu entwickeln und sich bereits Monate vorher mit dem Thema auseinander setzen zu müssen. Das ist ein ziemlicher Energieaufwand von uns, dies zu organisieren, aber es hat inhaltlich natürlich sehr große Vorteile.

Helmut Krapmeier: Ich beobachte auch, wie die Tri eine zunehmende Bekanntheit in der Szene entwickelt und weiterwirkt. Das Interessante ist auch, dass der Tagungsband durch seine aufwändige und schöne Gestaltung den Weg in die Fachbibliotheken der Teilnehmer findet, was dann auch immer wieder zum Nachlesen, Nachschlagen und zu späteren Gesprächen führt.

Robert Fabach: Die Tri hat in den Jahren ihres Bestehens eine technisch-architektonische und gesellschaftliche Entwicklung begleitet. Wie hat sich das in den Veranstaltungen abgebildet und was waren die Meilensteine?

Hans Joachim Gögl: Die Veranstalter waren ursprünglich Techniker, die ihre Technologie den Architekten, den unmittelbaren Anwendern vermitteln wollten aus einer politischen, idealistischen Verantwortlichkeit heraus. Zu Beginn war das noch ein sehr technikorientiertes Symposium, in dem die Technik als Additiv zur Architektur gesehen wurde, das es in ein Gebäude zu integrieren galt.

Dann kamen von den Architekten eine Reihe von Fragen. Wie kann diese Technologie archi-tekturaffin in eine Gestaltung integriert werden? Es zeigte sich, wir müssen uns mit diesem gesamthaften Blick der Architekten und mit der Gestaltung auseinandersetzen und können das Thema nicht isoliert aus der Perspektive der Technologie kommunizieren. Das war ein wichtiger Moment. Wir mussten den Architekten zuhören: Was braucht ihr eigentlich, wie ist euer Denken, wie muss das Thema aufbereitet werden, dass es für euch anschlussfähig wird?

Wir haben dadurch sehr schnell gelernt, daß die Architektur im Zentrum steht, daß es darum geht Gebäude zu entwickeln, die mit ihrer Umwelt auf vielfache Weise interagieren. Infolge haben wir dann Themen aufgenommen wie „Baukunst und Energieeffizienz“, haben uns um den Prozess gekümmert mit „Integrale Planung“, wir haben die Zusammenarbeit von Fachplanern, Handwerkern und Architekten beleuchtet und – das wird auch in diesem Jahr wieder zu erleben sein – das Zusammenspiel mit Bauherrn und politischen Entscheidungsträgern fokussiert. Kurzum, Technik und Architektur als Querschnittsthemen in deren Umfeld Qualität durch Kooperation entsteht.

Helmut Krapmeier: Umgekehrt war es mir als gelernter Architekt ein Anliegen auch gute gestalterische Lösungen für den Einsatz dieser Technologie zu zeigen. Da war auch immer die Architektur gefordert an Lösungen zu arbeiten, damit das, was gut für die Umwelt und für uns Menschen ist, auch sehenswert ist. Und das ist es ja leider nicht immer. Daher war ich sehr erfreut, dass die Integration auch ein zentrales Thema der Auftraggeber war. Wissend, dass wir beides brauchen. Deshalb hat sich dieser Kongress auch immer in beide Richtungen orientiert.
Gleichzeitig manifestiert sich die Technik in der Architektur und Architektur lässt sich am besten durch die Anschauung, durch das Raumerlebnis und die Erfahrung vor Ort vermitteln. Dabei wurde auch durchaus die Frage zurück gegeben: Was bedeutet die Veränderung der Technik für die Architektur?

Hans Joachim Gögl: Die Schwerpunkte der einzelnen Veranstaltungen spiegeln dieses Inte-resse an der Integration und dem interdisziplinären Dialog. Nachdem die technischen Grundlagen der Photovoltaik, der Lüftungstechnik und der Passivhaustechnologie etabliert waren, verschob sich der Fokus auf Querschnittsthemen. Wie zum Beispiel Kostengünstiges Bauen, Althaussanierung oder Bauen mit Holz. Auch weil man diese Themen in Vorarlberg auf eine besondere Art und Weise erleben und zeigen konnte. Architektursensibilität und das Thema Kooperation sind zwei implizite Themen, die wir versucht haben explizit zu machen.

Robert Fabach: Diese Integration ist in der Vorarlberger Baukultur sicher gut aufgehoben, weil es hier eine lange Tradition in der Verbindung von Handwerk, Technologie und Architektur gibt. Durch die Personalunion von Handwerkern und Planern, aber auch durch eine überdurchschnittliche Wertschätzung beider Gruppen in der Baukultur des Landes. Es war dann auch eine Avantgarde von Architekten, die mit alternativen Systemen in der Haustechnik experimentiert hatten und später durch eine intensive und systematische Zusammenarbeit mit Fachplanern, erste innovative Anschauungsbeispiele geliefert hatten. Wie hat sich diese Laborsituation für die Tri ausgewirkt?

Hans Joachim Gögl:
Der Veranstaltungsort in Vorarlberg und die Möglichkeit zur Exkursion im nahen Umfeld waren ein Riesenvorteil, der die Tri für deutsche und Schweizer Architekten attraktiv gemacht hat. Wir haben uns auch immer leicht getan, entsprechende innovative, hochqualitative Beispiele etwa zum Thema Passivhaus zu zeigen oder erste Fassadenintegrationen von Photovoltaik, erste Fassadenintegrationen thermischer Solarkollektoren, etc.
Diesen Dreiklang von interessanten Beispielen gemütlich mit dem Bus an einem einzigen Nachmittag zu befahren, das wäre weltweit nicht ganz so einfach.

Robert Fabach: Wie ist die Rolle der Vorarlberger Architektur aus dem Blickwinkel der TRI?

Hans Joachim Gögl: Die Tri war immer als internationale Veranstaltung für drei bis vier Länder geplant. Rund 50% der Teilnehmer kamen aus Österreich, etwa 30% aus Deutschland und 20% aus der Schweiz und Liechtenstein. Vor rund 10 Jahren kamen dann auch verstärkt Teilnehmer aus Südtirol dazu. Wir haben aber immer auch deutschsprechende Leute aus Luxemburg, Frankreich und Belgien.
Was die Herkunft der gebauten Beispiele und der Referenten anbelangt, muss man festhalten, dass die Strahlkraft, die Vorreiterrolle Vorarlbergs in den allerletzten Jahren schon etwas abgenommen hat. Da haben andere Regionen stark aufgeholt.

Helmut Krapmeier: Es waren aber auch durchaus immer wieder Wechselwirkungen zwischen den Ländern und in unterschiedlicher Richtung zu registrieren. Während gerade in den An-fangsjahren herausragende Beispiele aus Vorarlberg kamen, gab es in Deutschland und der Schweiz aus der Entwicklung der Technologien immer wieder wissenschaftliche und innovative Konzepte zur Bautechnik.
Südtirol ist ein Beispiel für eine qualitätsvolle Architekturentwicklung, die sich dem Thema der Energieeffizienz mit hohen gestalterischen Ansprüchen genähert hat. Weil es dort kaum Fachplaner mit Erfahrung in diesen Haustechniksystemen gab, wandten sich viele an Fachplaner in Vorarlberg. Dies hatte – auch durch die Unterstützung der regionalen Südtiroler Initiativen – einen Entwicklungs- und Bildungsschub zur Folge.
In Deutschland hingegen war die Integration von energieeffizienter Technik in hochwertiger Architektur wenig entwickelt. Gerade Vorarlberger Architekten hatten wenig Freude mit Beispielen aus Deutschland zu Holzbau oder energieeffizienter Bauweisen. Umgekehrt hat das Vorarlberger Beispiel der Integration von Architektur und Energieeffizienz bewirkt, dass da auch ein Impuls entstand, es den Vorarlbergern gleich zu tun. Heute gibt es durchaus ausgezeichnete Beispiele, die sogar in umgekehrter Richtung vorbildhaft sind.

Robert Fabach: Die Wirkungen gehen aber auch mittlerweile über die vier Länder hinaus. 2007 wurde ja die erste Veranstaltung außerhalb von Vorarlberg abgehalten.

Hans Joachim Gögl: 2007 wurde eine zweite Reihe von Veranstaltungen ins Leben gerufen. Die erste „Tri Alpe Adria“ wurde am Weissensee abgehalten, die sich an Kärnten, Slowenien und Norditalien richtete. Die Veranstaltung wurde in drei Sprachen synchronisiert und der Tagungsband erschien in Englisch. 2013 fand in Wien die „Tri Donau“ an der Technischen Universität statt. Es waren zwei Unternehmen aus Kärnten, Weissenseer Holz-Systembau und der Fassaden- und Dämmstoffspezialist STO, die an uns herangetreten sind und uns beauftragt haben, in den Zwischenjahren Veranstaltungen mit derselben Konzeption durchzuführen.

*Robert Fabach: Wohin kann sich die Tri in Zukunft bewegen? Gibt es Entwicklungslinien, die sich zeigen?
Auf der diesjährigen Pressekonferenz mit Fachjournalisten hat es ja auch durchaus kritische Fragestellungen nach der Haltbarkeit von Lösungskonzepten und deren Glaubwürdigkeit gegeben. Die aktuelle Kritik an einer Übertechnisierung gipfelt ja gerade in der gebauten Antithese des jüngst fertig gestellten Bürogebäudes 2226 von Baumschlager & Eberle, das . Wie reagiert die Tri darauf?*

Helmut Krapmeier: Christof Drexel, Hermann Kaufmann und andere anwesende Referenten haben dies in der folgenden Diskussion eigentlich sehr treffend zusammengefasst. Wir haben 1996 mit technisch fokussierter Fachinformation begonnen und haben uns sehr rasch zur Integration in der Baukultur, zur integralen Planung entwickelt, in der Technik, Umweltbewusstsein und Gestaltung zusammen geführt werden.
Es waren dies echte Schritte im Bewußtsein. In den Anfangsjahren war dies ein Energiebe-wusstsein, daß sich vor allem auf die Kontrolle der Energieflüsse konzentriert hat und in dem ausgiebig von Bauherrn und Architekten selbst experimentiert worden ist. Es galt Verluste einzudämmen und solare Gewinne zu steigern.
Dem folgte der Einzug der wissenschaftlichen Bauphysik. Vor allem wissenschaftlich for-schende Physiker wie Wolfgang Feist aus Freiburg haben ein umfassendes Verständnis für die physikalischen Abläufe und Gesetzmäßigkeiten eingebracht und entsprechende Berech-nungsmodelle geschaffen. Seit einigen Jahren hat sich im Zug einer zunehmenden Nachhal-tigkeitsdiskussion und durch die Beachtung von raumplanerischen Fragen der Blick vom Haus hin zur Siedlung und Region gehoben. Qualitätsvolle Quartiere und intelligente Siedlungsentwicklung tragen maßgeblich zur Verkehrsvermeidung und hinsichtlich von Lebenszykluskosten bei.
Wir stehen in den letzten Jahren, so Christof Drexel und andere, vor dem breiteren Eintritt in eine Gesamtbetrachtung, bei der Energietechnik nicht mehr isoliert betrachtet wird, sondern zunehmend auch soziale und wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen, wie im übrigen auch die zunehmende Kritik an einer Übertechnisierung zeigt. Vor diesem Hintergrund zeigen wir auch bei der aktuellen Tagung das genannte Bürogebäude, das ja abgesehen von Abwärme aus Bürogeräten und Benutzern ohne Heizung auskommt und an Haustechnik nur über eine computergesteuerte Fensterlüftung verfügt.

Hans Joachim Gögl:
Der nächste Schritt ist in der Konzeption der Tri eigentlich schon angelegt. Die politische und gesellschaftliche Dimension, die Hermann Scheer und andere Referenten eingebracht haben können in Zukunft eine noch ausgeprägtere Rolle einnehmen. Die Fragen rund um die gesellschaftliche Akzeptanz der Anliegen von Ökologie und Nachhaltigkeit müssen gemeinsam mit oder gegen Kostenwirklichkeiten verhandelt werden. Der Blick weitet sich also zusehends. Es gibt von allen beteiligten Segmenten Eigenlogiken. Eigenlogiken der Architekten, der Fachplaner, der Industrie, der Energiepolitik. In der öffentlichen Debatte werden die oft sehr isoliert kommuniziert. Die Tri ist ein Ort, an dem man sich gemeinsam unterhalten kann und gemeinsam ins Einvernehmen setzen könnte. Nämlich, dass die Energieexperten die Bedürfnisse der Architekten und der Bauherrn hören und wechselweise die Potentiale erkennen und sich austauschen. Das wird wichtiger denn je. Dazu bedarf es solcher Plattformen.

Robert Fabach: Das sind sehr wertvolle Erfahrungen und geben auch den aktuellen Diskurs rund um breite, gesellschaftliche, wirtschaftliche, aber auch technologische Themen wieder. Was bedeutet das für die Tri 2014?
Wir haben uns überlegt: Wie feiern wir diese 20 Jahre? Klassischerweise hatten wir bisher immer architektonische und technische Lösungen präsentiert. Für dieses Symposion haben wir eine komplett andere Form entwickelt. Wir wollen unsere gemeinsamen Erfahrungen mit dem Wandel in diesen zwei Dekaden reflektieren und aus dieser Perspektive vorausschauen. Was ist eigentlich in den letzten 20 Jahren gelungen? Wo lagen die Konfliktfelder und wo sind die Konflikte heute? Was waren Irrtümer, was waren produktive Irrtümer? Ein offener Blick zurück und zugleich ein schöpferischer Blick nach vorne.
Ohne Scheu vor Kontroversen interessiert uns auch der Streit. Wir haben deshalb auch einen halben Tag zum Thema „Pro und Kontra Passivhaus“. Auch weil die Tri zu Zeiten ein leiden-schaftlicher Vertreter dieses Konzeptes war und dies immer wieder kritisiert worden ist. Uns interessiert es, die Argumente klar auf den Tisch zu legen, weil wir an die Qualität der Debatte und der Auseinandersetzung glauben.

Generell präsentieren wir bei diesem Symposium Duos auf der Bühne, die jeweils für den Blick zurück und für den Blick nach vorne stehen. Experten, die aus unserer Sicht das Thema in den letzten 20 Jahren geprägt haben setzten wir in Dialog mit Menschen, von denen wir glauben, dass sie die nächsten 20 Jahre prägen werden. Wir initiieren ein Gespräch zwischen zwei Generationen. Zwei Generationen z.B. im Bereich energieeffizienter Haustechnik mit Matthias Schuler, er war 1998 bei uns als eher junger „Hippie“. Ein Referent, der mittlerweile eine Professur in Harvard innehat, Gründer von TransSolar, der auf der Tri mit einem Schweizer Haustechnikplaner um die 30 sprechen wird. Wir haben den Photovoltaikexperten aus der Schweiz, Thomas Nordmann, – er war 1996 einer jener Dreistunden-Referenten – der sich mit einem ganz jungen Photovoltaikexperten unterhält.

Wir haben uns immer sehr interessiert für Gesellschaftspolitik. Heuer gibt es ein bemerkenswertes Gespräch zwischen Kaspanaze Simma, gute 60 Jahre alt, ein Pionier der grünen Bewegung und der erste Grüne, der in Europa in einen Landtag gekommen ist. Er spricht mit einer jungen politikinteressierten Akteurin. Roland Gnaiger, ein wichtiger Architekt und Mitglied der Vorarlberger Baukünstler und Architekturprofessor in Linz spricht mit einem halb so alten Kollegen aus Deutschland.

Uns hat auch interessiert, wie können wir die Teilnehmer zu Teilgebern machen und dazu haben wir einen Fragenkatalog aus zehn Fragen zusammengestellt, die wir an die Referenten und auch ans Publikum richten. Für die Teilnehmer im Publikum ist das Format dazu ein sogenanntes „Geh-spräch“. Duos spazieren am Bodenseeufer entlang und diskutieren, besprechen diese Fragen und kommen dann zurück und vergemeinschaften das in Workshops und auf der Bühne. Sodass also wirklich ein gemeinsames Lernen stattfinden kann und dass auch das Wissen der Teilnehmer, das ja immer öfter qualitativ vergleichbar ist mit jenem der Referenten genutzt werden kann.
Wir möchten diesmal die Teilnehmer ermuntern Gesprächspartner mitzubringen. Wir sagen zu den Teilnehmern „Bring jemand mit!“ Wenn du älter bist, bring jemand mit, den du fördern möchtest, der in deinem Büro eine Rolle in Zukunft spielen soll und mit dem du gerne drei Tage verbringen möchtest. Oder wenn du ein Junger bist, bring jemand mit, von dem du was lernen möchtest, mit dem du kooperieren willst. Hinter dieser neuen Konzeption steht das Vertrauen in zwei Konstanten der TRI: Debatte und Dialog.

Robert Fabach: Ich danke für das Gespräch.

Robert Fabach, Bregenz 9.4.2014