Lighthouse Katalog Essay
Der gebaute Diskurs
6.7.2008
Die Bedeutung von Baukultur – Bauen als Diskurs
Inhalt
Der gebaute Diskurs 1
Die Bedeutung von Baukultur – Bauen als Diskurs/ Culture of building – building as discourse 1
Warum Vorarlberger Baukultur? (What means „culture of building“?) 2
The story: 40 years of development – Abriss über die Entwicklung der letzten 40 Jahre 3
Optimierungschritte statt Einzelstücke 5
Die Idee der Region / The concept of region 6
Gleichgewicht von Innovation und Tradition / Balance of innovation and tradition 6
Die Idee des Handwerks – The concept of craftsmanship 7
Unikat und Kopie – Einzelstück versus Entwicklung /Uniquness versus copy – artefact versus development 8
Warum Diskurs des Bauens? / What means discourse of building ? 8
Architekturkritik 8
Culture of cooperation – Building, not talking 9
Building as discourse 9
Examples for the discourse of building 10
Oberflächen am Beispiel der Lattenfassade / The lattice 10
Holzbau / Timber construction 10
Der Monolith / Der Einhof 10
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Einleitung:
Warum Vorarlberger Baukultur? (What means „culture of building“?)
Annäherungen an das Phänomen der Vorarlberger Baukultur.
Intro: 40 Jahre Entwicklung
Über die Architektur Vorarlbergs zu schreiben bedeutet ein reiches und fruchtbares Feld zu bearbeiten. Ein umfangreiches Erbe des anonymen Bauens, aber auch namhafte Einzelpersönlichkeiten aus der Ära der Vorarlberger Barockbaumeister stehen in einem spannungsvollen Kontrast zu einer eindrucksvollen Entwicklung seit den späten 50er Jahren bis heute, die auf engstem Raum die kulturellen und gesellschaftlichen Bewegungen dieser Zeitspanne abbildet. Zugleich geht jede Darstellung / Beschreibung dieses Architekturbiotops ein unwägbares Risiko ein, denn einerseits ist es immer eine Summe von Einzelpersönlichkeiten gewesen mit
genug Raum für Widerspruch und individuellen Wegen, andererseits führt die anhaltende Weiterentwicklung laufend zu Neueinschätzungen im Überschneidungsgebiet zwischen Journalismus und Geschichtsschreibung.
Baukultur statt Architekturstars
Der Begriff Baukultur grenzt sich in Vorarlberg entschieden ab von einer ausschnitthaften Abfolge individueller, künstlerischer Spitzenleistungen. Was wir hier antreffen ist eine gesamtgesellschaftliche Pflege und aktive Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt.
Ein ausgeprägtes Mäzenatentum, ein besonderes Repräsentationsbedürfnis oder ein akademisches Umfeld für eine elitäre, architektonische Hochkultur fehlte für das Bauen in Vorarlberg weitgehend. Vielleicht zum Glück, denn die Kontinuität und Nachhaltigkeit der letzten 30-40 Jahre wären sonst kaum möglich gewesen. Baukultur hat sich in Vorarlberg als kollektive Leistung entwickelt und etabliert.
Hohe Verbreitung und Popularisierung
Eine aktuelle Statistik zeigt, dass in Vorarlberg überdurchschnittlich in die Errichtung und Pflege von Wohnhäusern investiert wird und bestätigt damit einen subjektiven Eindruck bei der Fahrt durch Österreichs westlichstes Bundesland. Zeitgenössische Bauten sind schon lang nicht mehr weit verstreute Sonderfälle, sondern lassen sich bereits in Ortskernen als zusammenhängende Ensembles erleben. Die Popularisierung einer modernistischen Formensprache in den letzten zehn Jahren hat fast jedes Neubaugebiet mit den Pathosformeln des neuen Bauens durchsetzt: Flachdach, Lattenfassade und raumhohe Verglasungen.
Doch darin liegen auch Schattenseiten. Wenn vorzugsweise Äußerlichkeiten kopiert werden, bleibt eine Verflachung nicht aus. Die Herausforderung für die heutige Generation an ambitionierten Planern ist, sich von Formalismen abzusetzen und sich den neuen Aufgaben mit adäquaten Lösungen zu stellen: Der Energiefrage, dem Thema der Zersiedelung und Suburbanisierung, sowie Bau- und Wohnformen zu finden für eine auch in Vorarlberg heterogener werdende Gesellschaft.
Doch fangen wir ganz von vorne an:
The story: 40 years of development – Abriss über die Entwicklung der letzten 40 Jahre
Erste Generation – Die Pioniere
Bereits in den 1960er Jahren hatte eine Handvoll von Planerpersönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Biografien durch einen pragmatischen, aber stilsicheren Umgang mit der Moderne auf sich aufmerksam gemacht. Hans Purin, Jakob Albrecht und etwas später Gunter Wratzfeld, die bei Roland Rainer studiert hatten übersetzten dessen Wertschätzung für das autochthone Bauen und die Nähe zur unprätentiösen, skandinavischen Moderne in gedanklich präzise Holzbauten von erstaunlicher Ökonomie. Die Gruppe C4 (Max Fohn, Karl Sillaber, Karl Wengler und Helmut Pfanner) und Leopold Kaufmann hatten in Graz studiert und bestachen durch vergleichbare Umsetzungen, darunter auch einige Schulbauten. Rudolf Wäger, ein gelernter Zimmermann, plante als Autodidakt innovative Holzhäuser mit minimalem Budgets, teilweise in Kooperation mit seinen Brüdern Siegfried und Heinz – letzterer brachte durch sein Designstudium bei Max Bill, Otl Aicher und anderen an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Reisen nach Skandinavien und in die benachbarte Schweiz, aber auch die Werkberichte in Fachzeitschriften bedeuteten wichtige Impulse, die gemeinsam diskutiert und verarbeitet wurden.
Knapp 20 Jahre später folgte ein kräftiger Schub einer Generation von jungen Architekten, der unter dem Eindruck der Ölkrise 1973, der aufkeimenden Öko-Bewegung und den gesellschaftlichen Umbrüchen folgend, das partizipative Planen, den Holzbau, eine intelligent Ökologie und eine ebenfalls junge Generation von aufgeschlossenen Bauherrn für sich entdeckte. Mit großem Praxishunger entstanden zum Teil schon während des Studiums erste Bauten. Einfamilienhäuser und Kleinwohnanlagen, aber auch sensible und kritisch eigenständige Umbauten von historischen Bauernhäusern bildeten eine Basis an praktischen Erfahrungen und technischer Experimente mit dem Ziel des „Einfach – Bauens“. Formal reduziert und angelehnt an den elementaren Typologien der Postmoderne und der Tessiner „Tendenza“ überzeugte dieses neue Bauen durch ihre Nähe zu den Bauherrn und der Region und durch handwerklichen Pragmatismus. Vielfach bot die familiäre Nähe zum Handwerk oder die enge Kooperation mit der Planergeneration der 60er und 70er Jahre wertvolle Unterstützung. Der kollegiale Austausch über technische Details bis hin zu gemeinsamen Projekten, sowie die kollektiven Baustellenbesuche geschahen in einem offenen und idealistischen Geist, der auf den Meisterklassen der Akademie in Wien, den damals schon konspirativen Zeichensälen in Graz und vor allem auf dem Zunftverständnis des regionalen Handwerks basierte. Möglich wurde diese Freiheit und das frühe selbständige Arbeit durch eine legistische Besonderheit im Vorarlberger Baugesetz. Als einziges Bundesland Österreich ist in Vorarlberg für eine behördliche Baubewilligung keine Befugnis durch die nationale Architektenkammer und damit die Notwendigkeit langer Praxisjahre in anderen Büros vorgesehen.
Zweite Generation – Die Baukünstler
In diese Situation platzte 1984 der „Befugnisstreit“ mit der österreichischen Architektenkammer, der genau diese Besonderheit zum Anlaß nahm und rechtlich gegen drei Vorarlberger Baukünstler vorging. Dieser Angriff löste einerseits die Formierung der Szene und andererseits eine weit über die Landesgrenzen hinausgehende Solidarisierung aus, die von der österreichischen Architekturkritik ausging und mit einem typisch österreichischen Vergleich endete. Aus dieser Auseinandersetzung entsprang nicht nur eine wachsende Bekanntheit in der Fachöffentlichkeit, sondern auch eine Solidarisierung der Öffentlichkeit in Vorarlberg gegen das zentralistische Feindbild Wien. Doch die Architektur hatte ihre Verbündeten nicht nur auf der Seite der Bauherrn und Handwerker. Mit mehreren Verantwortlichen in der Landesraumplanung, die auch als Instanz bei strittigen Baubewilligungsverfahren zuständig waren und mit einer zunehmenden Zahl an Verantwortlichen in den Gemeinden stellte sich mehr und mehr auch Vertreter aus Politik und Verwaltung freundlich zu der Welle des Neuen Bauens. 1985 entstand in Lustenau nach dem Modell der Stadt Salzburg der erste Gestaltungsbeirat Vorarlbergs. Als fachliche Beratung für die lokalen Bauverantwortlichen wurden hier Architekten zugezogen und konnten argumentative Bildungsarbeit an der Basis leisten. In diesem Jahr wurde auch aus dem Umfeld der Architekten das heutige Energieinstitut gegründet, das die ökologischen Bemühungen auf eine spezialisierte und institutionelle Ebene hob. Seit vielen Jahren werden heute die Prüfung der strengen energietechnischen Kriterien der Wohnbauförderung, sowie viele Initiativen des Landes über das Energieinstitut abgewickelt.
Von 1985 bis 1992 lief eine zweiwöchentliche Serie von TV-Beiträgen, in der Architekt Roland Gnaiger positive und negative Beispiele kommentierte und ein wichtiges Instrument für das breite Verständnis von architektonischen Anliegen war.
Aus einer Vielzahl an regionalen Wettbewerben entstanden kommunalen Bauten von hoher Qualität, die wiederum Auseinandersetzung und Akzeptanz verstärkten. Die öffentliche Diskussion in den Medien war durchaus kontrovers, fand aber vor allem von außerhalb Vorarlbergs großen Zuspruch. Die Verleihung des
1991 sollte der „Internationale Kunstpreis des Landes Vorarlberg“ an Hans Purin vergeben werden, der diesen nicht für sich allein, sondern nur für die Gesamtheit der „Vorarlberger Baukünstler“ akzeptierte. Das Preisgeld wurde für die erste umfassende Dokumentation der Bauszene gestiftet, die 1993 in die Ausstellung und Publikation „Einfach Bauen“ mündete.
Dritte Generation
Das Bauen hatte sich technisch und gestalterisch mit großen Schritten professionalisiert, als im Laufe der 90er Jahre eine quasi dritte Planer-Generation anschloss, die durchwegs auf dem hohen Niveau des Handwerks und einem breiten Verständnis für Architektur in der Bevölkerung aufbauten. Die wesentlichsten Namen daraus, die sich mittlerweile ebenfalls etabliert haben, sind Marte.Marte Architekten, Cukrowicz/Nachbaur oder Johannes Kaufmann, sowie dessen Cousin Oskar Leo Kaufmann. Ihre Ambitionen waren breiter gestreut, hatten von Beginn an einen hohen gestalterischen Anspruch und mußten sich mit der Erfahrung und den formal ebenfalls weiterentwickelten Büros der zweiten Generation messen. Eine Ästhetisierung und ein hoher Grad an bautechnischer Perfektion zeichnete bald auch die gesamte Szene aus, die mittlerweile auch in großen Auftragsvolumen, sowie über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich waren. Aus den Pionieren waren Baumschlager & Eberle, Hermann Kaufmann und Dietrich / Untertrifaller als sicherlich erfolgreichste Formationen hervorgegangen und international tätig. Mit ihnen waren energieeffiziente Bausysteme und zahlreiche bautechnische Entwicklungen gereift. Fachplaner und Handwerker trugen zur Verbreitung von neuen Standards bei, die durch die Entwicklungsarbeit gereift waren. In diesem Zeitraum wurden auch neue Typologien entwickelt. Von der Feuerwehr, über den kompakten Geschosswohnbau bis zum Bauernhof waren Lösungen in einer zeitgemäßen und gültigen Form bekannt.
Konsens und Dissidenten – Gemeinsames Selbstverständnis
Daß es über diese Generationen von Architekten trotzdem eine Wertschätzung und Konsens in Grundfragen gibt, hängt ungeachtet der regionalen Verbundenheit mit einem ganz spezifischen Selbstverständnis vieler Architekten zusammen. In ihrem Selbstverständnis und in ihrer Berufspraxis orientierten sie sich vorwiegend am kooperativen Modell des in Zünften organisierten Handwerks, in Abgrenzung zum Typus des bildenden Künstlers . Daraus rührte ein ganz eigener Umgang mit Fragen des Originals, des kollektiven Lernens und der Kooperation mit den Ausführenden, den Handwerkern und über geraume Zeit auch mit der Darstellung der eigenen Arbeit.
Heute
Doch alle Stehsätze, die bereits vielfach Essays über die Architektur in Vorarlberg zierten, geraten – wie einleitend angemerkt – bei genauerer Betrachtung an die Grenzen ihrer Gültigkeit. Im touristischen Montafon proben die Hoteliers den Aufstand gegen eine zu architekturaffine Landesverwaltung, in der Landeshauptstadt machen Unterschriftenlisten gegen „Betonmonster“ die Runde. Eine Unternehmerschaft, in großteils internationalem Wettbewerb, aber auch Kommunen entdecken mehr und mehr die Wirksamkeit eines spektakulären Brandings durch Architektur. Namen oder seltener verheißungsvolle No-Names werden gesucht und gefunden. Die eindrucksvollen Bauten für SIE von Marte.Marte, für DGM und „Montfort-Werbung“ durch Oskar Leo Kaufmann oder der jüngst erfolgte Umbau des Bregenzer Festspielhauses durch Dietrich|Untertrifaller verdeutlichen wieder einmal neue Möglichkeiten und den insgesamt unsentimentalen und ständigen Wandel.
Durch das hohe Tempo und eine zunehmende Popularisierung wurden Bauten von der Stange von Bauträgern ohne planerische Ambitionen zu für den Laien ununterscheidbaren Kopien.
In diesem nächsten Abschnitt der Vorarlberger Architekturentwicklung ist der kollektive Idealismus deutlich pragmatischen Kooperationen gewichen. Einzelne Büros konnten sich international durchsetzen. Baumschlager & Eberle bauen in Wien, Zürich und Peking, Dietmar Eberle ist Dekan der ETH in Zürich, Hermann Kaufmann hat eine Professur in München, Roland Gnaiger in Linz.
Die Zusammenfassung der gesamten Bewegung in der großen Ausstellung „Konstruktive Provokation“ mit begleitendem Buchprojekt schaffte einen gelungenen großen Bogen und eine schlüssige Freilegung von Motivsträngen und nach rund 15 Jahren wieder einmal einen Überblick über die wachsende Zahl an Büros und Planern. Eine Welle hoher publizistischer Aufmerksamkeit durch Fachmedien und die in drei Sprachen durch ganz Europa tourende Ausstellung ist vorüber und Mitarbeiter aus Deutschland gehören zum Büroalltag. Junge Büros strömen ständig nach und bewähren sich im anspruchsvollen Wettbewerb mit beinahe vier Planergenerationen nur durch die Kombination vieler regionaler Tugenden, wie Gespür für den Ort, hohes technisches Wissen und Kooperationsbereitschaft, Pragmatismus und Innovation.
Die folgende Suche nach Ursachen und Erklärungsmodellen greift einige Qualitäten und Motivlagen heraus, die sich kontinuierlich mitentwickelt haben und zum Verständnis der Vorarlberger Baukultur beitragen können.
Optimierungschritte statt Einzelstücke
In den 90er Jahren hatte sich die Schlagzahl gesteigert, mit der die einzelnen Büros ähnliche Bauaufgaben realisieren und verfeinern konnten. Standards wurden entwickelt, die sich auch bei den Ausführenden durchzusetzen begannen und die viele ambitionierte Lösungen in ökonomische Details verwandelten
Baumschlager & Eberle
Carlo Baumschlager hatte dazu 1996 klar formuliert, was bislang als diskrete Differenz zur internationalen Architekturszene im Raum stand: „Nicht jedes Detail, das wir zeichnen, muß eine Sensation sein. Wir glauben eher daran, daß man Details, die ihre Richtigkeit bewiesen haben, solange verwenden kann bis sich herausstellt, daß es etwas Besseres und Sinnvolleres gibt. Das ist eigentlich das einzige Argument, irgendein Detail zu ändern.
Ich muß nicht jedesmal das Rad neu erfinden.“
Dieser Satz fasst nochmals ein gemeinsames Selbstverständnis zusammen und beschreibt auch einen der Gründe für die rasche Entwicklung von technisch hohen und wirtschaftlichen Standards, die nach wenigen Jahren bereits zum internationalen Exportartikel wurden. Die Entwicklung geschieht nicht in der Planung eines Einzelobjektes, sondern über eine Reihe von Projekten hinaus durch die schrittweise Optimierung von Gebäude zu Gebäude. Dass dabei kleinere Bauaufgaben durchaus zum Experimentierfeld wurden, ist kein Geheimnis mehr. So finden sich formale und technische Lösungen von Bürobauten oder Wohnanlagen an früheren Einfamilienhäusern.
Diese Form der Entwicklung durch Verbesserung von gleichen Lösungen fand nicht nur innerhalb von Büros statt, sondern wurde durchaus im größeren Kreis praktiziert. Anfangs noch offen oder in Zusammenarbeit, später durch die langsam unübersichtliche Zahl an Büros oft nur durch die Anschauung oder einfach über Handwerker, die in den üblichen Vorbesprechungen Verbesserungsvorschläge zur Ausführung einbrachten. Im Allgemeinen ist diese Praxis bis heute im Kollegenkreis akzeptiert. Nach aussen hin hat sie aber seit jeher für Irritationen gesorgt, wurde sie als geistlose Wiederholung kritisiert und hat eine Reihe von wechselseitigen Missverständnissen zwischen solcherart verschiedenen Baukulturen hervorgebracht.
Die Idee der Region / The concept of region
Kenneth Frampton strebte 1983 mit dem Begriff des Kritischen Regionalismus in seinem Essay „ Towards a Critical Regionalism: Six Points for an Architectural Resistance“ nach einem reicheren Kontext für die moderne Architektur. Er beschreibt ihn in einem Interview zwanzig Jahre später nach wie vor als wichtige Haltung in der gestalterischen Praxis, warnt aber davor ihn als Stilbegriff misszuverstehen. Die Frage um das Verhältnis von Welt und Ort zeigt in der Geistesgeschichte Konstanz, auch wenn sich die Begriffe verschieben. Paul Ricoeur stellte 1965 „Universelle Zivilisation und Nationale Kulturen“ in eine dialogische Opposition, Martin Heidegger spricht 1951in „Bauen, Wohnen, Denken“ von Raum und Ort und der „Not der Heimatlosigkeit“ und deutet dabei Friedrich Hölderlins „Kolonie und Heimath“, der die Fremde und das Fremdsein eindringlich als notwendige Geistesnahrung beschwört.
Aus der Idee der Region, aus der regionalen Identität ist für die Vorarlberger Baukultur ein wesentliches Merkmal entstanden. Die Beschwörung regionaler Eigenheiten ist vor allem im deutschen Kulturkreis ein heikles Unterfangen, im besten Fall aber zweischneidig. Als distinktives Merkmal kann der Selbstbezug leicht Stagnation und kulturelle Verengung auslösen. Als kalkulierte touristische Nutzung, vor allem wenn sie erfolgreich ist, hatte sie meist noch verheerendere Folgen (man denke an die Baukultur im benachbarten Tirol, die bis heute gegen das ökonomische Kalkül eines inszenierten Heimatstils zu kämpfen hat).
Vorarlberg ist – und das läßt sich bei aller Vorsicht sagen – auch in der Architektur eine positive Identitätsbildung gelungen. Im gesellschaftlichen Aufbruch der 68er Generation, der in Vorarlberg sehr spät und gegen massiven Widerstand stattfand, geschah so etwas wie eine regionalistische Neudeutung eines historisch problematischen Vorarlberg-Bewußtsein, die sich mit postmodernen Ansätzen und den Ideen der Öko-Bewegung in den frühen 1980er Jahre überlagerte. Konkret entstanden daraus Einfamilienhäuser im Selbstbau, aus heimischem Holz mit Satteldächern und postmodernen Stilelementen. Zugleich wurde um den Erhalt alter Bauernhäuser gekämpft und regionale Identität paradoxerweise von „Sozialrevolutionären“ verteidigt.
Gleichgewicht von Innovation und Tradition / Balance of innovation and tradition
Vorarlberg hatte nie eine isolierte Tradition. Historisch immer an großen Verkehrsrouten gelegen, konnte es sich dem Durchzug an Waren und Ideen nicht verschließen. Die Vorarlberger Barockbaumeister hatten fast 150 Jahre Kirchen und Klöster in einer eigenen Ausformung des süddeutschen Spätbarocks errichtet. Ein Teil ihres Wissens, der aus norditalienischen Architekturtraktaten stammte, war über Graubünden eingewandert und wurde in den eigenen Handwerkszünften tradiert und weiter entwickelt. Gebaut haben sie ausschließlich außerhalb ihrer Heimat, doch das Wissen und die Verbundenheit der Handwerkszünfte ist bis heute erhalten.
Auch die Nachbarschaft zur wirtschaftlich dominanten Schweiz hat deutliche Spuren hinterlassen. Von dort rührte die frühe Industrialisierung Vorarlbergs und die Herstellung von Spitzen in Heimarbeit für Schweizer Verleger/Unternehmer hatten die bäuerliche Lebensweise seit dem späten 18. Jahrhundert verändert. Regionale Besonderheiten und Traditionsgüter sind aus der Überformung externer Einflüsse entstanden, wurden aber so internalisiert, daß sie allgemein als „ur-vorarlbergerisch“ angesehen werden. Bezeichnend ist eine Anekdote, nach der seit über hundert Jahren die traditionellen Frauentracht – die Juppe – mit einer Plissiermaschine hergestellt wird, die ein einfacher Schlosser aus dem Bregenzerwald ohne Kenntnis der französischen Sprache bei einem Besuch der Weltausstellung in Paris 1889 abgezeichnet und schließlich nachgebaut hat.
Regionalismus in seiner idealen Form beschreibt auch ein produktives Verhältnis von Aufmerksamkeit für Ort und Welt. Wer seine Aufmerksamkeit fremden Bildern und Zeichen widmet, wer sich in transnationale, konkurrierende Konsumwelten entführen lässt, geht dem eigenen Ort verloren. Wer im Gegenzug sich neuen Informationsströmen oder dem Fremden schlechthin verschließt, schneidet sich selbst von vielen Impulsen und Potentialen ab. In diesem Verständnis muß Globalisierung nicht zwangsläufig bedrohlich sein. Angesichts einer Auflösung der Orte bedeutet sie keine territoriale Auseinandersetzung mehr, sondern die Konkurrenz um Aufmerksamkeit als knappes Gut.
Die Vorarlberger Baukultur ist Beispiel dafür, wie Ort und Welt in einer Symbiose stehen können, aber auch dafür wie viel Kraft und Wertschätzung ein eigenes Zentrum braucht. Es hat sich in Vorarlberg eine tief verwurzelte Mischung aus Neugier und Skepsis entwickelt. Interessiert an allem, was von außen kommt, wird das Neue – aber auch der Neue – äußerst genau geprüft. Dann folgt oft schnellentschlossen, aber nur vereinzelt die Anwendung und erst was sich praktisch bewährt, wird langsam akzeptiert und anerkannt. Eine kulturelle Eigenart, die bis heute hinter verschiedensten Entwicklungen steht. Daraus rühren die hartnäckige/auffällige Koexistenz des Traditionellen mit dem Neuen und ein gemäßigtes Tempo bei Veränderungen, das technische Strohfeuer und Fehlentwicklungen leichter umgehen kann.
Kultur als Summe gemeinsamer Werthaltungen und produktiver Differenzen, die nicht mit ihren sichtbaren Resultaten, mit dem Kulturerbe verwechselt werden darf, bildet durch die daraus entstehende Widerständigkeit eine wertvolle Ressource.
In der aktuellen Globalisierungsdebatte wird ein solcher Umgang mit der eigenen Region zum beispielhaften Gegenkonzept zu einer transnationalen Konsumkultur.
Die Idee des Handwerks – The concept of craftsmanship
Ein weiterer Pfeiler im Verständnis der Vorarlberger Baukultur ist ein ausgeprägtes Qualitätsbewußtsein, in dem sich eine geistige Verwandtschaft mit der ebenfalls alemannischen Schweiz zeigt. Nicht uneingeschränkt, aber oft wird bei der Vergabe von Handwerkeraufträgen in der Regel dem besten, und nicht dem billigsten Angebot den Vorzug zu geben. Das Faktum, daß Qualität argumentierbar ist, ist auch der Garant für die Überlebensfähigkeit des qualifizierten Handwerks. Als konkretes Gegenbeispiel seien hier weite Teile des übrigen Österreichs genannt, in denen ein blinder Preiskampf und die ausschließliche Bewertung der momentanen Errichtungskosten durch die Bauherrn nahezu alle Betriebe eliminiert hat, die auf gut ausgebildete und folglich gut bezahlte Handwerker gesetzt hatten. Die Folge war, daß damit handwerkliches Wissen verloren ging und verschiedenste technische Lösungen und Bautechniken dort schlichtweg nicht mehr ausführbar sind.
Unikat und Kopie – Einzelstück versus Entwicklung /Uniquness versus copy – artefact versus development
Dietmar Eberle schreibt dazu in „Architectura practica“, Bregenz, 2006:
„Im Architekturschaffen lassen sich zwei Modelle unterscheiden, denn nicht zuletzt ist die Art der Arbeitsorganisation auch abhängig von der subjektiven Auffassung, was Architektur überhaupt ist. Zum einen gibt es jene Vertreter, die Architektur ganz im Sinne von „Baukunst“ weiterhin als einen autonomen Schöpfungsakt des Architekten verstanden haben wollen und damit die Einzelleistung in den Vordergrund stellen. Für andere dagegen ist Architektur eine kooperative Anstrengung, bei der das Individuum in einem kollektiven Austausch steht und wo vermehrt der Nutzen für die Gesellschaft ins Blickfeld rückt.
Eine solche Unterscheidung ist nicht neu, wie der Blick auf die Rezeptionsgeschichte der Vorarlberger Bautradition verrät. Anders als in den übrigen Regionen des barocken Kunstschaffens werden bereits die Vorarlberger Barockbaumeister als vorwiegend homogene Gruppe wahrgenommen, die über getrennte Erwerbszweige hinweg eine dichte Beziehungskultur pflegen. Allen gemein ist eine in den sogenannten „Auer-Lehrgängen“ kodifizierte Bildungsgrundlage, die als kollektive Basis fungiert und konstant weiterentwickelt und angepasst wird. Zu jener Zeit aus wirtschaftlicher Not geboren, erweist sich seit den 1960er Jahren eine solche kulturelle Allianz – die Vorarlberger Bauschule, die auf der Ideenwelt der Moderne gründet und pragmatische Korrekturen des von ihr eingeschlagenen Weges vornimmt – erneut als äußerst fruchtbares Modell. Und wiederum scheint eine gewisse Kohärenz in Ausbildungsweg und Biografie der einzelnen Exponenten der Grund für die innere Kompaktheit des Ganzen zu sein. Inzwischen hat die baukulturelle Leistung Vorarlbergs europaweit große Beachtung gefunden: Sie wird explizit auf die besondere „Kultur der Kooperation“ zurückgeführt und damit auf ein neu justiertes Rollenverständnis der Beteiligten.“
Warum Diskurs des Bauens? / What means discourse of building ?
Diskurs in der Architektur erscheint oft auf eine intellektuell theoretisierende Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Konzepten des Bauens beschränkt. Als akademische Vision oder Manifest, in Form theoretischer Überlegungen zeigt er zumeist nur geringe Nachhaltigkeit und bleibt in chronischer Distanz zum Bauen selbst. Der Architekturdiskurs nahm in Vorarlberg seine eigenen Wege. Neben der medialen Berichterstattung war vor allem eine hohe Kooperationskultur mit Bauherr, Bauverwaltung und Handwerker im Planungsprozess von Bedeutung. Und es gab eine weitere, ganz besondere Form des Dialogs: Das Bauen selbst.
Architekturkritik
Die fachliche Rezension begleitete auf eine nicht unmaßgebliche Art das Bauen in Vorarlberg, zum einen, hatte von Beginn an eine unmittelbare Beziehung zu Vorarlberg. Friedrich Achleitner, die Zentralfigur der österreichischen Architekturkritik hatte bereits in den 60er Jahren Vorarlberg regelmäßig besucht. Als bestärkende Kraft und als Meinungsbildner in der Presse zeigten sich auf lange Sicht unschätzbare Nachwirkung bei Bauherrn und Entscheidungsträgern.
Franz Bertel, der Initiator der legendären Reihenhaussiedlung „Halde“ in Bludenz von Hans Purin (1963-67) beschreibt einen Essay von Friedrich Achleitner in einer österreichischen Tageszeitung über die Gefahr der Zersiedelung als einen der Auslöser für das gemeinsame Wohnprojekt. Der stärkste Einfluß war sicher zur Zeit des „Baukünstlerstreits“ in den 80er Jahren zu spüren. Die gerichtlichen Klagen der Architektenkammer gegen drei Planer aus Vorarlberg hatte nicht nur unter den Vorarlberger Architekten eine enorm einigende und konspirative Wirkung, sondern lösten durch die unmittelbaren und massiven Reaktionen in der Presse eine über Österreich hinausgehende Solidarisierung mit der neuen Vorarlberger Bauschule aus, die unbestreitbar der Ausgangspunkt war zu ihrer breiten fachlichen und öffentlichen Bekanntheit und Akzeptanz.
Culture of cooperation – Building, not talking
Durch den Erhalt lokaler Identitäten, ein in der Regel hohes soziales Verantwortungsbewusstsein und ein pragmatisches und konstruktive Arbeitsethos hat sich in Vorarlberg im Bauwesen eine besondere Kooperationskultur entwickelt.
Dietmar Eberle (Baumschlager & Eberle) beschreibt dies folgendermaßen: „Die Bildung von Kooperationen und engen Netzwerken und damit die Methodik der Integration von unterschiedlichem Wissen sowie die daraus resultierenden Formulierungen einer allgemeinen Strategie kann deshalb als zukunftsfähiger Ansatz gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Das was Vorarlberg auszeichnet, ist die Möglichkeit, auf eine lokal entwickelte Kommunikationskultur mit flachen Hierarchien zurückgreifen zu können. Die Qualität des kollektiven Lernens und der gegenseitigen Austauschs, die von den Architekten in den 70er und 80er Jahren primär untereinander entwickelt wurde, hat sich im Laufe der Jahre auf das moderne Handwerk- und Industriegewerbe ausgeweitet. Unterstützend gewirkt haben mag, dass vielen Architekten die Nähe zum Handwerk gegeben ist, sei es aufgrund der eigenen Biografie oder nicht zuletzt auch infolge familiärer Verbindungen. Im Gegenzug weist das Handwerk eine hohe Vertrautheit mit den Essenzen der zeitgenössischen Architektur auf. Für eine Vielzahl von Handwerkern ist die Zusammenarbeit mit einem Architekten kein Neuland, auch sie wissen von den Vorteilen einer gegenseitigen Befruchtung. Ein solches partnerschaftliches Verhältnis aber ist die Grundlage für einen barrierefreien Diskurs, bei dem Handwerker als gleichberechtigte Partner ernst genommen werden. Wenn man also versucht ist, von einem Vorarlberger „Phänomen“ zu sprechen, dann steht dieses in jedem Fall in engem Zusammenhang mit der grundsätzlichen Wertschätzung von handwerklicher Arbeit bzw. mit der Tatsache, dass Handwerker und Ausführende in Vorarlberg ein vergleichsweise hoher Status eingeräumt wird.
In Vorarlberg hat stattgefunden, was andernorts ein von der Moderne theoretisch erörtertes Ideal geblieben ist: Die Befreiung der Architektur aus ihrem akademischen Umfeld, die Entwicklung einer modernen Kultur für den Alltag. Architektur ist hier ganz allgemein zum Thema geworden.“
Building as discourse
Eine besondere Form des Diskurses entsteht, wenn man Sprache und Bild hinter sich läßt und das Gebaute selbst als Medium nimmt. Dieser „gebaute Diskurs“ oder „Diskurs des Bauens“ übersteigt den bloßen technischen Optimierungsprozess, wenn dabei – wie im vorliegenden Fall – auch gestalterische und typologische Fragen in eigenen Bauten oder auch nur in Details weitergedacht werden. Man gelangt so zu ganz anderen Inhalten und auf eine ganz andere Ebene der Auseinandersetzung durch einen kollegialen Austausch unter mitunter strengen, aber freundschaftlichen Vorzeichen. Vor allem öffentlich wurden die eigentliche Formgebung und Gestaltung kaum diskutiert. In meist hohem Tempo wurden Entwürfe skizziert, meist standen funktionale Argumente im Vordergrund. Dennoch wurden die gebauten Resultate in der Kollegenschaft sehr genau geprüft und im Detail bewertet.
Bald wurden gemeinsame Exkursionen zu den gerade fertiggestellten Projekten, aber auch zu Baustellen veranstaltet. Gemeinsam fuhr man mit einem Kleinbus durchs Land und stritt und debattierte über das Gesehene. Die Intensität, mit der Lösungen dann aufgegriffen oder verarbeitet wurden, war und ist eine ganz handfeste Form der Architekturkritik. These, Antithese, Synthese oder Variation fanden in baulicher Form statt. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten. Die Zentralvereinigung der Architekten Vorarlbergs lädt auch heute noch zwei mal jährlich ihre Mitglieder zu gemeinsamen mehrtägigen Exkursionen in das In- und Ausland ein, die intensiv genutzt werden.
Dazu kommt eine weitere Eigenheit, die mit dem Selbstverständnis der Vorarlberger Planer zusammenhängt.
Examples for the discourse of building
Oberflächen am Beispiel der Lattenfassade / The lattice
Der Fokus auf eine funktionelle Struktur und auf die Logik der Form hat den Oberflächen verstärkte Wichtigkeit verliehen. Der Einsatz sichtbarer natürlicher Materialien und ihre handwerkliche Verarbeitung hat vielen Bauten eine hohe skulpturale Qualität verliehen. Die sorgfältige Kombination von Sichtbeton und unbehandeltem Holz und ihre Veränderung durch Wetter und Sonne erzielt ein visuelle Dichte in der Struktur und Patina. Diese gestalterischen Potentiale aus der Poesie der Oberflächen stehen aber immer in engem Zusammenhang mit der gesamten Wandkonstruktion und erfordern ein genaue Materialkenntnis und Erfahrung um die fachgerechte Verwendung.
Holzbau / Timber construction
Der Holzbau fand gleich zu Beginn seine ersten Hochpunkte. Die Notwendigkeit einer präzisen Planung und gedanklicher Strenge machten den Holzbau mit seinen sichtbaren Konstruktionen zu einer anspruchsvollen Disziplin, die sich mit der Mentalität des Landes zu treffen schien. Die Sichtbarkeit der Konstruktion und die hohen Anforderungen an die ausführenden Handwerker wurden durch die Attribute der Ordnung und Ehrlichkeit zu einer Charakterfrage und geradezu ethischen Kategorie, im Gegensatz zum Massivbau, dem alle Ungenauigkeiten durch einen gnädigen Verputz und etwas Farbe verziehen wurden. Schon bei der Siedlung Halde (1963-65) trat das Bregenzerwälder Holzbauwerk Kaufmann durch seine innovativen Holzleimbinder hervor. Als nicht dauerhaft und armselig belächelt brauchte es viele Jahre bis der Holzbau in den 90er Jahren eine breitere Akzeptanz erhielt. Vor allem die Baugesetzgebung war und ist ein wichtiges Feld der Auseinandersetzung der Baustoffindustrien um die Hegemonie ihrer Materialien. Architekten wie Hermann Kaufmann, die aus persönlicher Verbundenheit und Überzeugung beständig die Möglichkeiten der Vorfertigung und der energetischen Optimierung voran getrieben haben, waren Vorreiter in einem Entwicklungsprozess, der weitgehend nach dem Prinzip „Open Source“ betrieben wurde. Heute finden sich eine ganze Reihe von hochtechnisierten und intelligent kooperierenden Zimmereibetrieben, die in maßgeschneiderten und vorgefertigten Bauelementen ökologische Spitzenstandards und zeitgenössische Architektursprache vereinen.
Der Monolith / Der Einhof
Fast die gesamte Hauslandschaft von Vorarlberg ist vom Typus des Einhofs geprägt. Diese mehr als dreihundertjährige Bauform hat sich als Archetyp des Hausens im kollektiven Unterbewusstsein des Landes eingetragen. Das Konzept, alle Nutzungen in einer Gesamtform und unter einem Dach zusammen zu fassen, folgt einer Logik der Ökonomie. Es trägt aber auch ein Raumverständnis in sich , nach dem das Gebäude als Objekt, als Körper in eine offene Landschaft gesetzt wird. Raum wird als Umraum gewertet. Wie ein griechischer Tempel bestimmt es sich in seiner Position zur Landschaft und in seiner Distanz zu den anderen Gebäuden. Historisch finden sich in Vorarlberg auch nur sehr wenige Platz- oder Strassenräume, die als solche angelegt worden sind.
Entsprechend scheint sich diese unterbewusste Vorbelastung auch heute noch auszudrücken in dem ungebrochenen Hang zum freistehenden Einfamilienhaus, aber auch in einem latenten Unwillen der Planer und Kommunen zur Aufwertung von Zwischenräumen und Plätzen.
Der Monolith – wie die zeitgenössische Entsprechung des bäuerlichen Einhofs tituliert wird -erlebt seine Idealisierung im Elementaren Bauen der 90er Jahre, das aktuell eine Renaissance in ständig neuen Variationen erlebt. Selbst mehrere Wellen der Kritik am Haus als „Kiste“ und Forderungen nach mehr Vielfalt und Eloquenz im baulichen Ausdruck konnten diesem Thema des gebauten Diskurses wenig anhaben.
„Worüber man nicht sprechen kann, das muß man bauen.“
Während die Erzählungen von Architekten und Bauherrn der 60er Jahre oft vom ästhetischen und gesamtheitlichen Idealismus der Moderne getragen waren, finden sich in den Statements der zweiten Generation vor allem Fragen der Ökonomie und neuer Typologien. Praktische und intelligente Fortführungen, seltener Gegenentwürfe zu traditionellen Ordnungen gipfelten in den Begriffen Holzbau, Selbstbau und regionaler Autonomie. Während sich die Postmoderne in der Zeichenhaftigkeit ihrer Architekturen förmlich überschlug, verweigerten sich hier die Architekten mehr und mehr formalen Diskussionen. Mit den gestalterischen Feinjustierungen der 90er Jahre schien der sprachliche Austausch gänzlich zu versiegen. Selbstverständlichkeit, Klarheit und die Kraft von Material und Form wurden zu den zentralen Termini in den spärlichen Eigenkommentaren und die Architektur konzentrierte sich auf ihre Eigenwerte, wie Topologie und Raum, Proportion, Gewicht und Materialität.
Das Medium des Diskurses bestimmt auch dessen Inhalte. Sehr oft stoßen aber sprachliche Auseinandersetzung oder die bildliche Darstellung von oben genannten Bauwerken an ihre Grenzen. Die Abwandlung eines Postulats von Ludwig Wittgenstein könnte die praktische Auflösung eines Paradox der aktuellen Architekturrezension sein.
„Die anderen reden über Architektur, wir bauen.“ Rudolf Wäger
Der Begriff der „Vorarlberger Baukünstler“ wie er im Zusammenhang mit dem sogenannten „Baukünstlerstreit“ um 1984 auftaucht ist hier irreführend und hat seine Wurzeln in der damaligen juristischen Auseinandersetzung um die in Österreich geschützte und von der Standesvertretung energisch verteidigte Bezeichnung „Architekt“. Kenneth Frampton in: Hal Foster (Hrsg.) “The anti-aesthetic: Essays on postmodern Culture”, New York 1993 Rassegna, Nr. 83, S. 9-19, Bologna 2006